Angesichts der hohen Zahl von Neuinfektionen mit dem Corona-Virus auch unter Kindern und Jugendlichen fordert der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Christoph Degen die Einführung des so genannten „Wechselunterrichts“ an hessischen Schulen ab Klasse 7. Auf Basis der örtlichen Sieben-Tage-Inzidenz bei den Neuansteckungen müssten die Schulen die Möglichkeit bekommen, den Unterricht zu entzerren, so Degen. Außerdem reduziere das Wechselmodell die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den Bussen und Bahnen, in denen der empfohlene Abstand zu anderen in aller Regel nicht eingehalten werden könne.
Christoph Degen sagte bei einer Video-Pressekonferenz am Donnerstag: „Es geht gar nicht darum, nach dem Motto ‚one rule fits all‘ starre Regeln für alle hessischen Schulen einzuführen. Es geht schlichtweg darum, das Abstandhalten zu ermöglichen. Das ist derzeit in vielen Unterrichtsräumen nicht möglich, wenn alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse gleichzeitig anwesend sind. Ein strukturierter Wechsel aus Präsenz- und Distanzunterricht für jeweils die Hälfte einer Schulklasse schafft Platz im Klassenzimmer und reduziert so das Infektionsrisiko in der Schule, ohne zwingend zu Lasten des Lernstoffs und damit des Bildungserfolges zu gehen.“
In Klassen und Kursen, die entweder aufgrund einer kleinen Schülerzahl oder dank großzügiger Räumlichkeiten kein Abstandsproblem hätten, bestehe zunächst kein Anlass, die Lerngruppen zu teilen.
Degen verwies auf das Robert-Koch-Institut, das den Wechselunterricht bereits dann empfehle, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Neuinfektionen über 50 liege. „Ein Inzidenzwert von 50 könnte also die Untergrenze sein, ab der die örtlich Verantwortlichen handeln sollen. Wir brauchen aber zusätzlich einen oberen Inzidenzwert, bei dessen Überschreiten zwingend dafür gesorgt werden muss, dass der empfohlene Abstand auch im Klassenraum jederzeit gewahrt wird. Solch ein oberer Wert fehlt in Hessen vollständig.“
Das Land müsse einen klaren Rahmen setzen, innerhalb dessen die Schulen dann individuell entscheiden könnten, welche weitergehende Maßnahmen sie ergriffen, um den Unterrichtsbetrieb sicherzustellen. Die Festlegung eines verbindlichen Inzidenzkorridors sein dafür die Grundlage. „Im zehnten Monat der Pandemie ist dem hessischen Kultusminister allerdings nicht mehr eingefallen, als das regelmäßige Lüften der Klassenzimmer zu empfehlen. Das ist, mit Verlaub, erbärmlich wenig“, sagte Christoph Degen.
Im Gegensatz zum Ministerium hätten viele Schulen die zurückliegenden Monate genutzt, um erfolgversprechende Konzepte für einen rhythmisierten Wechselunterricht zu erarbeiten. Dort, wo die Ausstattung mit digitalen Medien ausreichend sei, könne praktisch sofort im Wechselmodell unterrichtet werden.
„Wo das Konzept und die Technik vorhanden sind, lässt sich mit dem Wechselunterricht verhindern, dass ganze Klassen ohne Unterricht in Quarantäne geschickt oder gar Schulen ganz geschlossen werden müssen“, so Christoph Degen, der vor der Gefahr erneuter flächendeckender Schulschließungen warnte: „Die Einstellung des Schulbetriebs im Frühjahr war ein schwerer Schlag für die Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen und damit für die Bildungsgerechtigkeit. So etwas darf sich nicht wiederholen. Auch verlängerte Weihnachtsferien wären nichts weiter als eine Schulschließung ‚light‘ und letztlich eine Verzweiflungstat.“
Christoph Degen forderte den Kultusminister auf, den Blick bereits jetzt auf das Ende des Schuljahres zu richten: „Er muss unbedingt Druck aus dem System nehmen, zum Beispiel durch den Entfall der zentralen Abschlussprüfungen für die Haupt- und Realschule sowie durch Abituraufgaben, die sich an dem orientieren, was im schwierigen Schuljahr 2020/2021 unterrichtet werden konnte. Auch der anstehende landesweite Mathematikwettbewerb sollte aus unserer Sicht nicht als Klassenarbeit gewertet werden. Andererseits spricht nichts dagegen, mündliche Prüfungen, die den individuellen Lernstand sowie den Unterrichtsausfall berücksichtigen, weiterhin zur Gesamtleistung des jeweiligen Schulabschlusses heranzuziehen“, so Christoph Degen.