Zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen hat das Bundeskriminalamt am heutigen Montag aktuelle Zahlen zu angezeigten Gewalttaten an Frauen vorgelegt. „Angesichts dieser überaus besorgniserregenden Zahlen von Gewalttaten an Frauen begrüßen wir ausdrücklich die Initiative von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), in den kommenden Jahren 120 Millionen Euro in den Aus-, Um- und Neubau von Frauenhäusern und Beratungsstellen zu investieren. Es wird nun höchste Zeit, dass die schwarzgrüne Landesregierung diesen alarmierenden Zustand erkennt, die zahlreichen Appelle der Frauenverbände und –Organisationen ernst nimmt und die eigene Verantwortung endlich in finanziellen Mitteln ausdrückt“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der SPD Landtagsfraktion, Lisa Gnadl, am Montag in Wiesbaden.
Die Frauenhäuser in Hessen seien überfüllt, so dass nicht alle schutzsuchenden Frauen aufgenommen werden könnten. Ob eine Frau in Not und ihre Kinder Hilfe oder einen Schutzraum erhielten, sei häufig abhängig von ihrem Wohnort. „In vielen Fällen ist es allein dem großen Engagement der Mitarbeiterinnen der Frauenorganisationen, Beratungsstellen und Frauenhäuser zu verdanken, dass den von Gewalt betroffenen Frauen überhaupt geholfen werden kann“, sagte Gnadl. 2018 sei in Deutschland das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, in Kraft getreten. Die Umsetzung dieser Konvention sei seitdem für alle Länder verpflichtend und auch im Koalitionsvertrag der schwarzgrünen Landesregierung verankert. „Trotzdem kann von einer vernünftigen Umsetzung der Konvention in Hessen noch lange keine Rede sein“, so Gnadl. Die Istanbul- Konvention sehe etwa ein Familienzimmer in einem Frauenhaus pro 10.000 Einwohner vor. Hessen müsste demnach 620 Familienzimmer vorhalten, es gebe derzeit jedoch nur 314 Familienzimmer in Frauenhäusern. „Wir brauchen dringend mindestens 300 zusätzliche Familienzimmer“, sagte Gnadl.
Auch die medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigungen werde in Hessen immer noch nicht flächendeckend angeboten. Der Landesaktionsplan zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt stamme aus dem Jahr 2011, entspreche nicht mehr den aktuellen Anforderungen und müsse dringend überarbeitet werden. Darüber hinaus sei die Koordinierungsstelle häusliche Gewalt personell nicht annähernd bedarfsgerecht ausgestattet, nicht ressortübrigreifend und verfüge nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um die Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt in Hessen umsetzen zu können.
„Vor diesem Hintergrund ist es für uns unverständlich und maßlos enttäuschend, dass die Landesregierung im kommenden Haushalt 2020 kein zusätzliches Geld veranschlagt hat. Wir brauchen dringend ein Gesetzkonzept für Hessen, das den Schutz, die Bekämpfung und die Prävention von Gewalt an Frauen sowie die effektive Strafverfolgung ermöglicht. Es kann nicht sein, dass in unserem Bundesland Frauen und Kinder in Not keine schnelle und unbürokratische Hilfe bekommen. Wir fordern die Landesregierung auf, schnell und entschlossen zu handeln und endlich eigenes Geld in die Hand zu nehmen“, sagte Lisa Gnadl.
Hintergrund:
Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen hat das Bundeskriminalamt an diesem Montag, 25.11.2019 aktuelle Zahlen zu angezeigten Gewalttaten vorgelegt. Demnach wurden im Jahr 2018 122 Frauen von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet und insgesamt über 114.000 Frauen in Deutschland Opfer von Partnerschaftsgewalt. Da nicht jede Tat zur Anzeige gebracht werde und nicht jedes Opfer Hilfe suche, geht das Bundesfamilienministerium von einer hohen Dunkelziffer aus. Einer Dunkelfeldstudie zufolge erlebe jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt.