Norbert Schmitt: Sehr gute Vorschläge aber Nachholbedarf bei gebührenfreier Bildung

Der Hessische Landtag hat am Mittwoch in der 2. Lesung die Gesetzentwürfe zur Verfassungsreform beraten. Dazu sagte der Obmann der SPD im Verfassungskonvent, Norbert Schmitt: „Mit der vorgesehenen größten Änderung der Hessischen Verfassung seit 72 Jahren wird sichergestellt, dass die Verfassung für heutige und zukünftige Herausforderungen gewappnet ist.“

Es lohne sich, dafür selbstbewusst in der Bevölkerung zu werben, damit den einzelnen Artikeln der Verfassungsänderung bei der anstehenden Volksabstimmung zugestimmt werde. „In der Enquetekommission herrschte sowohl zwischen den Fraktionen als auch in der Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Gruppen eine vorbildliche Debattenkultur, die Maßstäbe für demokratisches Ringen um wichtige Inhalte setzt “, sagte Schmitt weiter.

Verfassungen und damit gerade auch Verfassungsänderungen sollten nach Ansicht der SPD nie mit knappen Mehrheiten, sondern immer in möglichst großem Konsens getroffen werden. Diese Haltung der hessischen SPD ziehe sich seit 1946 durch alle Verfassungsänderungen.

„Die SPD ist deshalb erfreut darüber, dass an den grundsätzlichen Festlegungen im Wirtschafts- und Sozialteil der Verfassung nicht gerüttelt wird.“

„Insbesondere die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung, die Verankerung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern sowie die Einrichtung eines Datenschutzgrundrechts sind sehr positiv zu bewerten.“

72 Jahre nach Inkrafttreten der Hessischen Verfassung und fast 69 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes gebe  es kein gutes Bild ab, dass man immer noch um die tatsächliche Gleichstellung von Frau und Mann ringen müsse. „Wir haben deshalb mit der Verfassungsänderung noch einmal klargestellt, dass endlich die tatsächliche Gleichstellung im tagtäglichen Leben, in der Bildung und Ausbildung, in der Wirtschaft, in der Politik erreicht werden muss. Das ist ein Gestaltungsauftrag.“

Der SPD habe außerdem die Aufnahme von Kinderrechten am Herzen gelegen. Damit nehme Hessen eine Vorreiterrolle ein.“

An eine große hessische Tradition „Hessen vorn“ knüpfe auch der neue Artikel zur informationellen Selbstbestimmung an. Die Nutzung der Informationstechnik führe zu neuen Möglichkeiten, aber auch neue Gefährdungen für die Persönlichkeit. „Wir wollen durch den neuen Verfassungsartikel die Chancen nutzen, aber die Risiken eindämmen.“

Der SPD lag ebenfalls die Aufnahme weiterer Staatsziele am Herzen. In der Anhörung des Hauptausschusses habe es die paradoxe Situation gegeben, dass einige Staatsrechtler die Staatsziele und deren Definition kritisierten, während die gesellschaftlichen Gruppen sie in starkem Maße lobten. „Wir sind uns sicher, dass die Bedenken einiger Staatsrechtler nicht tragen und manche Bedenken wurden ja auch auf Nachfrage relativiert“, sagte Schmitt.

Die SPD-Fraktion siehe es als sehr positiv an, dass in einem neuen Artikel die Förderung der Infrastruktur als Staatsziel vorgesehen sei. Die Errichtung und der Erhalt der technischen, digitalen und sozialen Infrastruktur und von angemessenem Wohnraum zu bezahlbaren Bedingungen solle als Staatsauftrag festgehalten werden. Damit werde ein Staatsauftrag formuliert, der die soziale und wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes gewährleiste und der Privatisierung eine Absage erteile.

Die vorgesehene Stärkung der Volksgesetzgebung lag der SPD ebenfalls sehr am Herzen. Die SPD sei sich sicher, dass hier eine richtige Abwägung getroffen wurde, um einerseits eine Volksgesetzgebung durch Absenkung der Quoren zu erleichtern und andererseits Vorsorge getroffen wurde, dass Populisten durch die Hessische Verfassung kein Instrument erhalten, ihr böses Spiel zu treiben.

Ein großer Wermutstropfen für die SPD bleibe aber: “Unsere Vorstellungen zur kostenfreien Bildung von Anfang an sowie zum Verbot von Studiengebühren wurden trotz Zustimmung betroffener gesellschaftlicher Gruppen leider nicht Teil des Konsenses.“

Schmitt dazu weiter: „Gerade nach dem auch im Staatsgerichtshof selbst höchst umstrittenen Urteil von 2008, das Studiengebühren als verfassungskonform beurteilt hat, muss klipp und klar in der Verfassung das Verbot von Studiengebühren geregelt werden. Denn jeder muss wissen: ohne Verfassungsänderung können politische Mehrheiten die Studiengebühren wieder einführen! Das will die SPD verhindern.“

Zudem wolle die SPD sicherstellen, dass Bildung von Anfang an, ab dem ersten Lebensjahr gebührenfrei sei. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Schule kein Geld koste, aber die Kinderbetreuung erhebliche Löcher in die Elternkasse reiße. Auch die Tatsache, dass Meisterlehrgänge Geld kosten können, aber ein Studium gebührenfrei sei, mache deutlich, dass es notwendig sei Bildung von Anfang an bis zum Meister oder Studienabschluss beitragsfrei zu stellen.

Schmitt zog folgendes Fazit: „Die Verfassungsreform hat sehr gute Ergebnisse gebracht, bei der gebührenfreien Bildung gibt es aber noch Nachholbedarf.“